Lebensträume
Mein Leben auf Reisen in Vollzeit

Cookie und ich

Mit Cookie bin ich seit Ende Januar 2012 zusammen. Zwölf Jahre sind eine lange Zeit und wir haben vieles miteinander erlebt. Ganz besonders jetzt auf dieser Reise. Immerhin sind wir meistens 24 Stunden am Tag zusammen. Nachts sind wir ein paar Zentimeter voneinander entfernt und ich bekomme jeden Kampf mit, dem sie sich in der Nacht mit fremden Gegnern stellt. Und sie bekommt jede Regung mit, die ich mache. Im Buch habe ich ihr einige Seiten gewidmet.

In Deutschland hatte Cookie eine Krankheitsphase, die sich über ein paar Wochen hinzog. Schließlich waren wir bei einem Tierarzt, der eine fatale Diagnose stellte. 

Eine fatale Diagnose
Es ist Punkt 16:00 Uhr als Cookie und ich vor der Praxis stehen. Eine Frau ist gerade damit beschäftigt, Trinkschalen mit Wasser vor dem Eingang aufzustellen. Okay, denke ich, man kümmert sich hier um die Tiere. Ich gehe auf sie zu, will gerade etwas sagen, da kommt sie mir zuvor: „Sie haben einen Termin“? „Ja, ich hatte heute Vormittag angerufen“. „Kommen Sie rein, mein Mann erwartet Sie schon“, antwortet sie.
Wir müssen ein paar Stufen hoch zur Eingangstür. Cookie tut sich schwer und sie sträubt sich auch ein wenig. Sie stemmt sich gegen die Leine. Sie spürt schon, was auf sie zukommt. Es sind wahrscheinlich immer die gleichen Gerüche, die ein solches Gebäude absondert. Das verheißt nichts Gutes, denkt sie sich bestimmt. Ich nehme den Zug von der Leine und rede mit ihr: „Komm, Cookie“!
„Okay, aber nur unter Protest. Ich mache das nicht freiwillig, nur dass Du das weißt“, sagt sie. Oder so etwas in der Art vielleicht.
Wir haben die Stufen geschafft und kommen in den Vorraum der Praxis. Ein Mann begrüßt uns freundlich und strahlt Vertrauen aus: „Thienel, guten Tag, kommen Sie gleich hier rein“. Er deutet auf den Raum, in dessen Türbereich er selbst steht.
Während wir in das Zimmer kommen, schaut er mich an, tief in die Augen. Nein, er durchschaut mich und scheint genau zu wissen, was in mir vorgeht. Mit seiner freundlichen Sachlichkeit nimmt er mir den Schrecken vor dem, was ich erwarte.
Er lässt den Behandlungstisch ein wenig ab und fragt, ob er mir helfen soll mit Cookie. „Nein, alles gut“, bedanke ich mich. Ich hebe Cookie auf den Tisch, wieder sträubt sie sich ein bisschen, ich kann sie aber beruhigen.
Jetzt erklärt er mir gleich den Ablauf. Er macht eine Ultraschall-Untersuchung und danach werden wir besprechen, wie es weitergeht. Während der Untersuchung soll ich Cookies Kopf halten, er dreht den Monitor aber so, dass ich mit draufschauen kann. Vorher rasiert er noch ein paar Haare weg an Cookies Bauch.
Jetzt ist es soweit, er fährt mit dem Schallkopf (so heißt das Ding, ich habe nachgeguckt) an ihrem Bauch entlang. „Hier haben wir es“, sagt er, „das ist die Gebärmutter. Die ist riesig!“ Und jetzt fallen diese Worte, die ich befürchtet habe und die sich tief eingeprägt haben bei mir: „Ihr Hund ist todkrank“!
Er erklärt mir, dass die Gebärmutter voll mit Eiter ist. Noch während er Cookie weiter untersucht, schließt er eine mögliche Behandlungsmethode aus. „Manchmal können wir punktieren, um den Eiter rauszuziehen. Aber wenn ich hier reinsteche, platzt das Ding und der Eiter verteilt sich im Bauchraum. Das wäre es dann, das kriegen wir nicht mehr gerettet.“
Er beendet die Untersuchung. Ich kann Cookie vom Tisch nehmen. „Normalerweise ist Punktieren eine Option“, sagt er noch einmal, „aber das würde sie nicht überleben. Hier kann ich nur operieren“, fährt er fort.
Ich atme tief durch und frage ihn nach den Risiken. „Ich möchte Ihnen keine Versprechung machen, die ich vielleicht nicht einhalten kann“, sagt er. Und wieder ist da diese Sachlichkeit, die ich so schätze. Es würde keinen Sinn machen, jetzt alles in Blümchen zu verpacken. „Sie hat einige Jahre auf dem Rücken, aber vor allem ist es ihr Allgemeinzustand. Sie hat leichtes Fieber, eine riesige Gebärmutter, die jeden Moment platzen kann und ihr geht es nicht gut.“
„Wenn ich es richtig sehe, haben wir zwei Möglichkeiten: OP mit einem hohen Risiko oder gleich Einschläfern?“ Ich bin aufgewühlt, angegriffen, das letzte Wort kriege ich kaum raus. „Ja, so ist es“, bestätigt er.
Genau in dem Moment passiert wieder etwas. Manche Dinge sind einfach wie eine Fügung. „Schauen Sie mal“, sagt er und deutet auf Cookie. „Ja, da draußen hat sich etwas bewegt“, antworte ich. Durch das große, bodentiefe Fenster in der Praxis hat sie bemerkt, dass sich im Garten etwas tut. Vielleicht eine Katze. Cookie steht da, absolut aufmerksam, spannt den Körper und stellt die Ohren. Wenn das Fenster offen wäre, würde sie jetzt rausgehen, nach dem Rechten sehen und aufräumen.
„Sehen Sie, will sie leben“! Dr. Thienel sagt das mit tiefer Überzeugung. Dieser Satz reißt mich aus meiner Lethargie. „Ja, operieren Sie“, sage ich. „Wie geht es jetzt weiter“? ...

Das Jetzt zählt
Tatsächlich geht die Zeit aber auch nicht spurlos an uns vorbei. Noch vor unserer Rückreise nach Deutschland hatte ich mit ihr am Strand Apportieren gespielt. Ich werfe etwas, sie rennt und bringt es zurück. Das war immer ihre allerliebste Beschäftigung. Dieses Mal hatte sie zwar mitgemacht, konnte oder wollte sich dann aber fast zwei Tage nicht bewegen. Und mir wurde bewusst, dass ich ab jetzt mit solchen Spielen vorsichtiger sein muss. Den Errigal, einen markanten Berg in Donegal, konnten wir nicht hochlaufen, weil sie sich gesträubt hatte. Sie wollte einfach nicht weitergehen. Okay, dann eben nicht.
Wir sind noch immer viel unterwegs, aber kürzere Strecken. Und sie schläft viel mehr als zuvor. Jungen Hunden rennt sie beim Spielen nicht mehr nach, sie schnauzt sie an und weist sie zurecht, wenn die zu forsch werden.
Und am Strand jagt sie keinen Wellen mehr hinterher. Sie merkt eben auch, dass manche Dinge nicht mehr so gehen wie früher. Manchmal kommt sie fast nicht ins Auto, ich muss dann nachhelfen. Nach ihrer Operation hatte ich ihr eine Rampe gebaut. Die hat sie aber strikt abgelehnt. So helfe ich ihr eben bei Bedarf mit einem Schubser am Hintern.
All das macht mich manchmal sehr traurig und gedanklich bereite ich mich auch schon auf den Tag X vor. Aber bis dahin werden wir noch sehr viel Spaß miteinander haben. Sie wird noch manche Kämpfe im Schlaf ausfechten und wird mich viele Male skeptisch anschauen, wenn ich ihr mal wieder irgendetwas erzähle. Und sie wird weiterhin immer wieder einfach ihren Kopf auf meinen Schenkel legen, mir dabei in die Augen blicken und ich werde ihr antworten: „Cookie, schön, dass wir uns haben.“
Ansonsten ist für mich aber auch klar: Nach Cookie wird es keinen anderen Hund mehr geben. Cookie wird für mich immer einzigartig bleiben.