Was für ein wunderschöner Tag hier am Meer. Ich spüre die wärmenden Sonnenstrahlen auf dem Kopf und im Gesicht. Das schwarze T-Shirt saugt die Wärme auf und gibt sie direkt an den Oberkörper weiter. Es fühlt sich angenehm an, sehr angenehm. Auch der feine Sand hat sich aufgeheizt und im Wechsel mit dem kühleren Wasser in den Pfützen entsteht ein wohliges Kribbeln an den Füßen. Die Natur meint es gut, wenn die Ebbe auf ihrem Rückzug ins Meer ein bisschen Wasser zurücklässt. Barfuß am Strand – ein schönes Erlebnis und ein Gefühl des Glücks.
Der Strand in seiner ganzen Breite gehört mir an diesem herrlichen Spätsommertag. Andere Menschen sind nur in der Ferne in Konturen zu erahnen. Ende September ist nicht mehr viel los in dieser Gegend. Die schwarzen Felsen auf dem Strand sind mit Muscheln besetzt und machen die Szenerie zu einem ganz besonderen Schauspiel der Natur.
Ich bin in Saint-Lunaire, einem kleinen Ort an der Nordküste der Bretagne. Und wie so oft bei diesen Spaziergängen komme ich zum Nachdenken und zum Träumen. Ich sehe diese Villa auf den Klippen mit direktem Blick aufs Meer. Ja, genau so eine wollte ich damals haben, davon hatte ich geträumt. Als junger Mensch, gerade mit dem Studium begonnen und bereit, die Welt zu kaufen. Karriere machen wollte ich und viel Geld haben, mir alles leisten können. Noch eine Villa, Autos, ein Schiff. Ja, das ist großartig, das mache ich und dann bin ich glücklich. So dachte ich damals. Dann kam mir aber diese Idee, ein halbes Jahr lang durch die USA zu trampen. Sie kam aus dem Nichts. Damals wusste ich noch nicht, dass das der alles prägende Einschnitt in mein Leben sein wird. Denn nach der Rückkehr hatte ich irgendwie den Anschluss verloren, ich war infiziert. Aus der angestrebten Vertriebschef-Karriere für den Autokonzern in Südamerika wurde der damals erste und einzige Motorrad-Kurierdienst Deutschlands. Nicht die einzige Eskapade meines Lebens. Und die Grundlage für Reichtum, also harte und konzentrierte Arbeit, war auch weg.
Jetzt laufe ich barfüßig am wunderschönen Strand und warte auf den Sonnenuntergang. Cookie ist mal neben mir, geht mal auf Entdeckungstour und ich sinniere über mein Leben. Das doch so ganz anders verlaufen ist als in der Zeit als Stürmer und Dränger geträumt. Villen habe ich keine, teure Autos oder ein Schiff auch nicht und in Südamerika war ich bisher noch nie.
Aber ich bin hier, lebe in der größten Wohnung der Welt, genieße diese Momente mit mir selbst, mit Cookie, mit der Umgebung. Ich freue mich und bin gespannt auf das, was kommt. Und ich fühle mich unglaublich frei und ich schätze das auch. Meine Kinder, die für mich das Wichtigste sind auf dieser Welt, leben ihren Weg. Meine Eltern durfte ich in der Sterbephase begleiten.
Meine Freunde und mein soziales Umfeld mögen mich und ich mag sie. Dann sind da noch die herzlichen, lieben Menschen, die ich unterwegs treffe. Sie sind eine fantastische Bereicherung in meinem so abwechslungsreichen Leben. Teilweise sind neue Freundschaften daraus entstanden. Menschen, auf die ich mich verlassen kann und sie sich auf mich. Gibt es Wertvolleres im Leben als das? Ich bin reich, unglaublich reich. Anders als damals erträumt, aber reich an den Dingen, die für mich einen echten Wert haben.